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„Wir haben den Auftrag verstanden“ – Das große Interview mit Mike Jäger

Bild: Jan Brucke, NLS
Bild: Jan Brucke, NLS

Nach dem Gerichtsurteil um die Zukunft der NLS, haben wir uns zu einem umfangreichen Gespräch mit Mike Jäger, dem Geschäftsführer der VLN Sport GmbH & Co. KG getroffen. Im Interview sprach Jäger über seine aktive Motorsportkarriere, seine Sichtweise zur aktuellen Situation der NLS und wieso der Auftrag für die Zukunft besonders in der Kundenzufriedenheit liegt.

Wie kam deine Leidenschaft zum Motorsport?

 

Meine Motorsport-Laufbahn begann erst recht spät. Ich fuhr nicht von Beginn an im Kartsport, sondern war ursprünglich immer eher Fußballer. Durch ein Geschenk kam ich dann mit dem Rennsport in Verbindung und absolvierte meine ersten Runden auf der Nordschleife. Offenbar war ich damals gar nicht so schlecht. Dann hat sich alles recht schnell entwickelt. Mir gefiel es so gut, sodass ich nur kurze Zeit später die Rennlizenz machte. Mit einem Seat Leon MK1 bestritt ich bereits einige Wochen später mein erstes Rennen auf der Nürburgring Nordschleife. Danach wechselte ich auf den Seat Leon MK2, mit dem ich beim 24-Stunden-Rennen von Dubai am Start war. Dazu kamen noch Tests mit Audi, BMW und auch einige Rennen mit dem Scirocco von Andreas Lautner. Danach landete ich auf dem Ferrari von racing one. Für einen Pay-Driver war es ein starkes Preis-Leistungs-Verhältnis, denn diese Emotionen und die Marke Ferrari kann man super vermarkten. Natürlich gibt es auch noch weitere schöne Fabrikate, aber mit diesem Fahrzeug waren wir bei den meisten Rennen der einzige Vertreter aus Maranello und somit etwas Besonderes.

Bild: Max Bermel
Bild: Max Bermel

Seit diesem Jahr bist du als Geschäftsführer der VLN Sport GmbH & Co. KG tätig. Wie kam es dazu, dass du diese Position übernommen hast?

 

Ich bin heute 52 Jahre alt. Für mich war immer klar, dass ich nicht ewig Rennen fahren werde. Die Corona-Situation und auch die geopolitischen Veränderungen beeinflussten vor allem das Sponsoring und dadurch auch die Bezahlbarkeit des Motorsports. Darüber hinaus wollte ich dem Rennsport aber weiterhin treu bleiben. Im MSC Adenau, als einer der Veranstalter, war ich als Delegierter mitverantwortlich für die VLN. Irgendwann hieß es, die VLN möchte jemanden als Geschäftsführer einstellen, der sich nicht nur mit Betriebswirtschaft auskennt. Besonders wichtig war, dass die Person aus dem Fahrerlager kommt und eine gewisse Nähe zu den Fahrern und Teams besitzt. Durch meine Zeit als aktiver Fahrer hat man mich dann ausgewählt und gefragt, ob ich dieses Amt übernehmen möchte. Für mich eine besondere Aufgabe, die ich sehr gerne angenommen habe.

Inwieweit hilft dir deine aktive Zeit als Fahrer bezogen auf deine aktuelle Aufgabe?

 

Der NLS hat man häufig vorgeworfen, dass man zu wenig kundenorientiert agiert. Das ist einer der Punkte, wieso ich dieses Amt überhaupt übernommen habe. Ich kenne viele Blickwinkel dieser Rennserie und weiß daher auch, welche Dinge verbessert werden müssen. Man sieht es auch aus Umfragen der ILN, wo klar zu erkennen ist, dass die Kunden sich vernachlässigt fühlten. Ich habe mir groß auf die Fahne geschrieben, dass wir diesen Punkt schnellstmöglich angehen müssen. Ich glaube, im bisherigen Verlauf sind wir in die richtige Richtung gegangen. Der Umgang in der technischen Abnahme, im Fahrerlager und die ganze Zusammenarbeit untereinander spricht aktuell für sich. Wir bekommen viel positives Feedback von den Teams und das bestätigt mich, auf dem richtigen Weg zu sein.

Bild: Max Bermel
Bild: Max Bermel

Besonders in den sozialen Medien wird die NLS immer wieder kritisiert. Ticketpreise, fehlende Fannähe und auch zum Teil die „Bezahlzonen“ an der Nordschleife sind Kritikpunkte. Wie siehst du da die Situation?

 

Im Grunde kann ich einige der Kritiken sogar verstehen. Allerdings muss ich auch sagen, dass wir nicht für alle Dinge verantwortlich sind. Ich möchte mich gar nicht aus der Verantwortung ziehen, aber als Streckenmieter müssen wir uns auch an gewisse Regeln halten. Was rund um die Strecke festgelegt wird, darauf haben wir keinen Einfluss. Auf der anderen Seite gibt es natürlich immer Leute, die etwas zu kritisieren haben. Wir nehmen die Kritik der Fans ernst und versuchen auch gewisse Themen zu verbessern, aber als Mieter sind wir nicht in der Position alle Belange nach unseren Vorstellungen zu gestalten.

Welche Themen müssen aus deiner Sicht noch angegangen werden?

 

Ich glaube, wenn ich die Punkte alle aufzähle, dann würde das den Rahmen dieses Interviews sprengen. Unser Fokus liegt darauf, die Serie zukunftsorientiert aufzustellen und vor allem dem Breiten- und Kundensport eine Plattform zu bieten. Die Vielzahl an verschiedenen Fahrzeugen soll bestehen bleiben und dazu stehen wir auch. Zum anderen sehen wir natürlich auch an den sinkenden Teilnehmerzahlen, dass das Geld auch nicht mehr in der Form vorhanden ist, wie es einmal war. Der „einfache“ bzw. der bezahlbare Motorsport ist immer schwieriger umzusetzen. Für uns bedeutet das, dass wir unsere Kostenstruktur optimieren müssen, damit die Preise nicht zu sehr eskalieren. Ich möchte auch keinem etwas vormachen. Die Zeiten mit über 150 Autos gehören der Vergangenheit an. Wir planen im Schnitt mit 100 bis 120 Teilnehmern pro Rennen, damit wir wirtschaftlich gut aufgestellt sind. Eine weitere Frage, die wir uns stellen müssen, bezieht sich auf die Antriebe. Haben wir in zehn Jahren noch einen Verbrennungsmotor? Die Politik ist sehr sprunghaft, gibt keinen klaren und sinnvollen Weg vor. Wir als Serienbetreiber müssen aber auch hier gut aufgestellt sein. Es gab sicherlich schon ein paar Ansätze, die aber nicht mit der nötigen Konsequenz verfolgt wurden. Demnach liegt in diesem Fall noch ein bisschen Arbeit vor uns.

Bild: Max Bermel
Bild: Max Bermel

Es gab bereits Pläne in Richtung Elektro-Antriebe. Sorg hatte damals einen BMW i8 vorgestellt. Wie ist da der aktuelle Stand?

 

Aktuell ist das schwierig und teuer. Die Kapazität der Akkus sind für ein Langstreckenrennen noch nicht ausgelegt. Für ein Sprintrennen kann ich mir das gut vorstellen, aber einen Akkuwechsel innerhalb eines Boxenstopps sehe ich aktuell für nicht umsetzbar. Andererseits verschließen wir uns neuen Technologien nicht, aber derzeit ist in dieser Hinsicht nichts in Planung.

Wie sieht es aus NLS Sicht generell mit alternativen Antrieben, wie z.B. in der AT-Klasse aus? Wäre eine flächendeckende Versorgung möglich?

Natürlich ist das machbar. Wir wollen aber auch keinen Aktionismus betreiben. Ich bin ein großer Fan von Projekten, wie es beispielsweise FourMotors seit vielen Jahren betreibt. Ich sehe aber auch die großen Werke in der Pflicht, die GT3-Fahrzeuge dahin gehend zu orientieren. Das Thema alternative Kraftstoffe ist unumgänglich und vermutlich im Motorsport auch langfristiger ein Thema als der Elektromotor.

Bild: Max Bermel
Bild: Max Bermel

Mit dem Urteil des LG Mainz am vergangenen Donnerstag  ist die erste Hürde genommen. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass  Berufung eingelegt wird. Inwieweit bremst euch das bei der Planung für das Jahr 2024? 

 

Grundsätzlich muss ich sagen, dass wir nach wie vor gesprächsbereit sind. Das ist uns sehr wichtig. Wir wollten keinen Streit. Man hat uns irgendwann unter Druck gesetzt und uns die Spielregeln vorgesetzt, bei der wir in unserer eigenen Rennserie kein Mitspracherecht mehr gehabt hätten. Wir wären letztlich nur noch Zaungäste in unserer eigenen Meisterschaft gewesen. Unsere Gesellschafter stimmten dann dagegen. Wir versuchten, die Problematik zu klären, aber das war leider nicht möglich. Von unseren Kunden kam dann natürlich der Aufruf, für die Planungssicherheit für die Saison 2024 zu sorgen. Um dann eine Entscheidung zu erzielen, sahen wir uns gezwungen, eine gerichtliche Lösung herbeizuführen. Die Teams wären uns sonst alle weggelaufen und vermutlich auch nicht mehr wieder gekommen. In dem Fall haben wir für diese Serie und besonders für alle Teilnehmer der NLS gekämpft und gewonnen. Dass dagegen Berufung eingelegt wird, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Allerdings bin ich keineswegs besorgt. Dieses Urteil war so glasklar und eindeutig, dass ich es mir nicht vorstellen kann, dass sich da noch was kippen lässt. Ich bin sehr entspannt, denn wir sind wie immer gut vorbereitet. Wir planen im kommenden Jahr mit acht Rennwochenenden. Beim Thema Doubleheader sind wir aktuell in Gesprächen mit den Teams. Es muss so gestaltet werden, dass der Kunde einen Nutzen davon hat. Anreise und dergleichen spielen dabei eine Rolle. Wir wollen flächendeckend die beste Lösung finden. Gerichtlich ist jetzt erst einmal der Stand, dass uns acht Termine zwischen April und Oktober zu marktüblichen Preisen zur Verfügung stehen. Das Urteil ist sehr detailliert und für uns daher eine sichere Grundlage. Vor allem haben die Zuständigen verstanden, wieso man das Nürburgring- und das Kartellgesetz eingeführt hat. Ich persönlich hätte die Dinge lieber anders geregelt, aber da gehören eben immer zwei dazu.

Bild: Guido Alfes
Bild: Guido Alfes

Wann wäre ein realistischer Zeitpunkt, einen Rennkalender für die kommende Saison zu veröffentlichen?

 

Die Veröffentlichung muss natürlich von der internen Klärung mit dem Nürburgring

unterschieden werden. Bis Ende September soll der erste Plan zumindest intern stehen, wie der Kalender für die Saison 2024 aussehen könnte. Das haben wir auch aufgrund des Gerichtsurteils so eingefordert, auf dieser Grundlage werden wir den Kalender aufbauen.  Unser Ziel wäre es bis zur Essen-Motorshow, bzw. zur Jahressiegerehrung alles final öffentlich zu verkünden.

Wie ist der Kontakt zur ILN? 

 

Ich stehe im engen Kontakt mit dem ILN-Vorsitzenden Martin Rosorius. Ich glaube, es ist unumgänglich, die Beziehungen in diese Richtung zu pflegen. Viele renommierte Teams aus den verschiedensten Klassen sind Bestandteil dieser Gemeinschaft. Der Austausch ist wichtig, vor allem, wenn es um die Vereinfachung und Optimierung des Reglements geht. Unsere Techniker versuchen in Kooperation mit der ILN die beste Lösung für alle Beteiligten zu finden. Ich bin sehr zufrieden mit der Zusammenarbeit.

Bild: Max Bermel
Bild: Max Bermel

Sind für das kommende Jahr Änderungen in puncto Permit Regelung geplant?

 

Es gibt Planungen, an der Permit zu arbeiten. Die Permit ist eine der größten Hemmschwellen für externe oder ausländische Fahrer. Die Nordschleife ist ein Monopol, eine ganz besondere Strecke, die jeder gerne befahren möchte und benötigt deshalb eine solche Regelung. Nehmen wir aber mal Valentino Rossi als Beispiel. Er hätte unserer Serie extrem gutgetan. Allein von der Publicity her. Selbst für so einen professionellen Rennfahrer mit zahlreichen weltweiten Erfolgen sind die Auflagen extrem hoch. Man müsste versuchen, es anders einzugruppieren. Jemand, der noch nie im Motorsport unterwegs war, benötigt eine viel längere Entwicklungszeit als jemand, der schon jahrelang aktiv ist. Ein Fahrer mit Rennerfahrung besitzt ganz andere Voraussetzungen und müsste demnach leichter eine Permit erhalten. Meines Wissens gab es wohl schon einige Termine und man ist dabei auf einem guten Weg. Ich bin ein absoluter Verfechter der Permit, aber das aktuelle System ist meiner Meinung nach zu starr. Ich bin aber guter Dinge, dass die Verantwortlichen den Weg für neue Teilnehmer verbessert, ohne die Sicherheit der Fahrer, Sportwarte oder Zuschauer zu vernachlässigen.

Mittlerweile sind viele elektrische Hilfsmittel in der NLS erforderlich. Ist das eine Abschreckung für einen Einstieg in die Serie?

 

Neueinsteigern bieten wir unter anderem das GPS-Gerät zur Leihe an, sodass man sich die Serie erst einmal ohne Neuanschaffungen anschauen kann. So wollen wir neuen Teams den Einstieg erleichtern. Später kann man dann entscheiden, ob man die Investition tätigen und weiter bei uns fahren möchte, oder eben nicht.  

Bild: Max Bermel
Bild: Max Bermel

Ein kleiner Ausblick in die Zukunft: Wie sieht die NLS in 10 Jahren aus?

 

Natürlich machen wir uns über die Zukunft Gedanken. Leider haben die letzten Wochen und Monate viel Zeit und Kraft gekostet, die Zukunft der NLS über die aktuelle Saison hinaus zu sichern. Wir haben schon einen Plan, den wir aber aus besagten Gründen noch nicht weiter vertiefen und auch nicht umsetzen konnten. Vor uns steht noch eine Menge Arbeit. Wir haben den Auftrag verstanden und versuchen die NLS in eine erfolgreiche Zukunft zu lenken.

 

 

Das Interview wurde am Sonntag, dem 10.09.2023 im Rahmen des 12h Nürburgring durchgeführt. Wir bedanken uns bei der NLS-Presseabteilung in Form von Patrik Koziolek, sowie Mike Jäger für die Realisierung.

 

Text: Max Bermel

Durchführung: Guido Alfes